Geschwister unter sich

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Oft wird von Jerusalem als der „Stadt der drei Religionen“ gesprochen. Christentum – klar, sollten wir kennen. Judentum – auch keine allzu große Unbekannte, immerhin hatten wir bereits Einführungen sowohl in rabbinische Literatur als auch in den jüdischen Kalender, was uns nicht selten dazu motivierte, an den jüdischen Feiertagen eine der zahlreichen Synagogen Jerusalems aufzusuchen. Islam – ja richtig, da war was, auf dem Tempelberg gibt es dieses wunderschöne Gebäude mit der goldenen Kuppel, das hat wohl was damit zu tun. Aber was? Diesen und ähnlichen Fragen konnten wir uns in den „Muslimisch-christlichen Werkwochen“ stellen, die vom 19. Februar bis 9. März 2024 stattfanden. In diesem Zeitraum bekamen wir Studis in Jerusalem Besuch von sechs Studierenden der islamischen Theologie aus Deutschland, um mit ihnen gemeinsam unsere Religionen, das Christentum und den Islam sowie die Heilige Stadt Jerusalem zu erkunden.

Nachbarn in der Jerusalemer Altstadt: rechts der Felsendom, links die Grabeskirche.

Zugegeben, was es mit dem Prachtbau mit der goldenen Kuppel auf dem Tempelberg auf sich hat, wussten wir bereits – einige Kenntnis der Islamwissenschaft hatten wir immerhin bereits im Bewerbungsgespräch für das Studienjahr im Mai 2023 nachweisen müssen. Dennoch war es für uns eine gute Gelegenheit, sich sowohl in den Lehrveranstaltungen der Werkwochen als auch in den in der Freizeit stattfindenden Gesprächen intensiver mit dem Islam zu beschäftigen – umgekehrt war der Austausch für unsere muslimischen Gäste nicht uninteressant, um einen Einblick in die christliche Weltanschauung zu erhalten.

Gute Gemeinschaft: sowohl beim Lernen…
…als auch beim Essen!

In Woche 1 hörten wir eine Vorlesung bei Prof. Mira Sievers und Prof. Felix Körner, in welcher die beiden sich gegenseitig durch sogenannte „Kontroversfragen“ herausforderten und uns so Grundzüge sowohl des Islam als auch des Christentums näherbrachten. Am letzten Tag dieser Vorlesung wurden wir Studis selbst aktiv und beantworteten uns gegenseitig „Knackfragen des Glaubens“, die wir uns im Vorfeld gestellt hatten. Manche Dinge, die dort verhandelt wurde, mögen banal klingen, doch gehört es wohl zum Grundwerkzeug eines*einer Theolog*in, in nur fünf Minuten kurz und knapp sowohl Dinge wie die Trinitätslehre als auch das Konzept des Dschihad erklären zu können, um nur zwei Beispiele zu nennen.

In Woche 2 wurde ein wahres Feuerwerk an Dozent*innen auf uns eröffnet – innerhalb von drei Tagen erlebten wir nicht weniger als fünf Lehrpersonen, die uns im Rahmen ein und desselben Seminares die Erzählung von der Bindung Isaaks (Gen 22) aus jüdischer, christlicher und muslimischer Sicht erschlossen. Ein spannender Zugang zu einem Text, der in allen drei abrahamitischen Religionen eine wichtige Rolle spielt und nicht umsonst genau an einem der wohl umkämpfstem Orte Jerusalems, dem Tempelberg verortet wird.

…nämlich genau hier!

Zu konkreten Orten reisten wir in Woche 3 – die „Mittelalterexkursion“ stand an! Wie der Name vermuten lässt, schauten wir uns vor allem Gebäude aus dem 11. und 12. Jh. an, einer Zeit, in der sowohl Christen (in Form der Kreuzfahrer) als auch Muslime das Heilige Land entscheidend prägten. In den drei Exkursionstagen residierten wir wieder einmal in Tabgha am See Genezareth, was uns bereits von unserer ersten Galiläaexkursion im Dezember 2023 wohlbekannt und in guter Erinnerung war. Wir durchpaddelten Zisternen, besuchten zahlreiche Gotteshäuser und bestiegen die „Hörner von Hattin“, auf denen einst Sultan Saladin die Kreuzfahrer besiegte. Bei diesem ganzen Unterfangen wurden wir begleitet und geführt von Georg Röwekamp, der die besuchten Orte sehr gewinnbringend sowohl archäologisch-historisch wie theologisch zu verorten wusste.

Bei den Hörnern von Hattin – mit so vielen hatten wir dann doch nicht gerechnet.

Und nach diesen drei sehr intensiven Wochen der Begegnung und des Austausches endeten die muslimisch-christlichen Werkwochen – ziemlich genau zum Beginn des muslimischen Fastenmonats Ramadan. Durch das Leben in Jerusalem wird die persönliche Landkarte der Religiösität und der Religionen beständig erweitert – ein Austausch, wie ihn die muslimisch-christlichen Werkwochen ermöglichten, trug auf einzigartige Weise zu dieser Erweiterung bei und schuf ganz nebenbei Kontakte, die sicher über die Zeit in Jerusalem hinaus Bestand haben werden.

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